Freitag, 27. November 2015

Eine Schatztruhe für Bücherliebhaber: Jan Philipp Reemtsma präsentiert seine "Schriften zur Literatur"

Begeisterte das Lesepublikum bei Felix Jud mit seiner
Neuerscheinung: Prof. Jan Philipp Reemtsma

“Vergnügen und Gewinn werden nicht ausbleiben beim Lesen von Jan Philipp Reemtsmas „Schriften zur Literatur“, versprach Wilfried Weber, Geschäftsführer von Felix Jud, den zahlreichen Gästen, die sich am Abend des 25. November in den Räumlichkeiten der Buchhandlung am Neuen Wall eingefunden hatten, um dem Autor Reemtsma persönlich bei der Präsentation seiner jüngsten Neuerscheinung zu lauschen. Als Jungbuchhändler, verriet Weber, war es sein großer Wunsch gewesen, alle wichtigen Werke sämtlicher bedeutender Schriftsteller einmal gelesen zu haben - ein Anspruch der angesichts der Vielfalt bedeutender literarischer Erzeugnisse unterschiedlichster Epochen kaum realisierbar ist. Umso kostbarer mögen alle „Bücherliebhaber, Lesefreaks, Weltbetrachter und Freunde des Weiterlesens“, so Weber, Reemtsmas „Schriften zur Literatur“ empfinden.

In der Tat stellt das Werk eine atemberaubende Fundgrube literarischer Betrachtungen dar: Ganze 1.440 Seiten umfassen die drei bei C.H. Beck erschienenen Bände insgesamt. Der Literaturwissenschaftler, Philosoph und Gewaltforscher Reemtsma versammelt darin alle seine Essays, in denen er Stücke der Weltliteratur verschiedenster Epochen, Gattungen und Autoren interpretiert, von Homer über Shakespeare, Lessing, Wieland und Arno Schmidt bis hin zu Camus, Kertesz und Stephen King. Nicht zuletzt ist das in einer hübschen Kassette erschienene Kompendium auch ein Lehrstück darüber, was Literaturkritik zu leisten vermag: Drei Texte widmen sich eigens dem Kanon, der Liebe zum Autor und der Literatur in der öffentlichen Debatte.

Angesichts seiner Seitenstärke ist das Werk nicht eben etwas, „das man auf dem Nachttisch liegen hat“, scherzte Ulrich Greiner, Kulturkorrespondent der ZEIT, der mit Reemtsma bei Felix Jud ein Gespräch über die „Schriften zur Literatur“ führte. Doch fessele das Werk seinen Leser eben deshalb, da es „Leidenschaft und Genauigkeit“ verbinde und „manchmal begeistert, manchmal empört, aber immer präzise“ einzelne literarische Werke unter die Lupe nehme, befindet Greiner.

In vielen seiner Essays widmet sich Reemtsma dabei dem Thema Gewalt. Ein Beispiel: Das mittelalterliche Heldenepos „Nibelungenlied". Kenner des Werkes werden sich an die Szene erinnern, in der Hagen von Tronje ein Kind der Kriemhild köpft. Die Gründe für diesen Mord sind wenig nachvollziehbar und in der Tat, so musste Reemtsma feststellen, gibt es in der Fachliteratur keine diesbezüglichen Erklärungen. Also spürte er selbst dem Phänomen nach, was in seinen Schriften zur Literatur eindrücklich nachzulesen ist und dem Leser eine völlig neue Erkenntnis beschert. 

Anschaulich führt Reemtsma in seinem Werk vor Augen, wie sich in den Texten verschiedener Epochen der Blick auf die Gewalt verändert hat und zunehmend auch moralische Fragestellungen die Schilderungen gewalttätiger Auseinandersetzungen ergänzen und damit in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lassen, etwa in einzelnen Werken von Shakespeare.

Dass Reemtsma jedes Werk mit großer Begeisterung und Genauigkeit interpretiert, erspürt der Leser an vielen, mit humorvoll-ironischen Einwürfen gespickten Passagen, etwa wenn der Autor bei genauerer Betrachtung eines Gedichtes aufdeckt, dass es für absurd-witzige, aber sicher vom Verfasser nicht gewünschte Schüttelreime prädestiniert ist. Stets erfährt der Leser auch Interessantes über die Denkhaltung des jeweiligen Schriftstellers.

Ulrich Greiner, Kulturkorrespondent der ZEIT und
Herausgeber von ZEIT LITERATUR, führte mit Reemtsma ein
heiteres und lehrreiches Gespräch über sein neues Werk
In ihrer Gesamtheit sind Reemtsmas Schriften ein eindrucksvoller Beleg dafür, was Literatur eigentlich leistet: „Sie ermöglicht es, einen Blick durch das Buch auf die Welt zu werfen und auf anderer Menschen Leben. Dadurch wird ein Leser unendlich viel reicher“, bekräftigt Reemtsma, dessen Werk sich dem Leser im Übrigen wohltuend unaufdringlich präsentiert. Freilich, so bekennt, Reemtsma, haben Geschmacksurteile in der literarischen Debatte stets einen gewissen Anspruch auf Objektivität, doch lädt jeder seiner Essays dazu ein, eine eigene Haltung zu einem literarischen Werk zu finden. Reemtsma regt an, amüsiert, erstaunt - und beglückt damit jeden Literatur-Liebhaber.


Neugierig geworden? Werfen Sie bei Felix Jud am Neuen Wall gern einen Blick in die „Schriften zur Literatur“. Gerne beantwortet unser Team auch persönlich Ihre Fragen zum Werk!




Copyright Fotos: Charly Leske