Mittwoch, 3. Dezember 2014

Spiel der Zeit: Ulla Hahn präsentiert neuen Roman bei Felix Jud



Ganze 600 Seiten umfasst das Werk „Spiel der Zeit“ (Verlag: DVA), mit dem Ulla Hahn die Reihe ihrer autobiographisch gefärbten Bildungsromane fortsetzt. Der Zeitraum von drei Jahren, den das Buch bis zu seiner Vollendung benötigte, erscheint bemerkenswert kurz. „Ich bin sehr diszipliniert beim Schreiben, fragen Sie meinen Mann, der sitzt mir im Nacken“, erklärt Ulla Hahn dazu schmunzelnd. Mit erfrischender Leichtigkeit präsentierte die Autorin am Dienstagabend bei Felix Jud ihren doch so ganz und gar nicht leichten, vielmehr thematisch schwergewichtigen neuen Roman.

Das Lesen ausgewählter Textpassagen, charmant gefärbt von Dialogen im rheinländischen Dialekt der Protagonisten („Auch de Prolete könne mit Messer und Gabel umgehen.“) wechselte sich dabei ab mit einem nicht minder charmanten Gespräch zwischen Ulla Hahn und SPD-Politiker Hans-Ulrich Klose, ehemals Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg und – was nicht jeder wissen mag – Autor diverser lyrischer Werke. Ein sehr treffend gewählter Gesprächspartner, bedenkt man doch, dass jedes Kapitel von „Spiel der Zeit“ mit einem lyrischen Part abschließt.
Nach den bereits erschienenen Büchern „Das verborgene Wort“ (2002) und „Aufbruch“ (2006) setzt der neue Roman die Geschichte um das Arbeiterkind Hilla Palm fort, die inzwischen zum Studium nach Köln gezogen ist und dort die Atmosphäre der 68-er Jahre unmittelbar erlebt und erspürt: Demos gegen die Notstandsgesetze, Begegnungen mit der von den damaligen „Revoluzzern“ gern in der Tasche geführten Mao-Bibel und die Liebe zu einem jungen Mann aus dem Großbürgertum prägen die Zeit von Hilla in Köln, konterkariert von ihren Wochenendbesuchen in der rheinländischen Heimat. „Es sind viele Lagen in dem Buch, in die sich der Leser hineinbegeben kann. Nicht zuletzt, da es mein Anspruch ist, nicht nur eine spannende Geschichte zu liefern, sondern auch zum Nachdenken anzuregen“, führte Ulla Hahn vor vollen Reihen bei Felix Jud aus. So ist das profunde Werk denn auch Bildungsroman, Entwicklungs- und Liebesgeschichte in Einem.

Der Erfolg der beiden ersten Bücher (und bereits erschienene Lobeshymnen auf den dritten Band in der Presse) mögen sich auch dadurch erklären, dass die Identifikation mit Hilla und weiteren Protagonisten des Epos leicht fällt. „Mir schreiben viele Leser, die sich bzw. ihre eigene Lebensgeschichte im Buch wiedererkennen“, so die Autorin. Auch jene Leser, die sich für Sprache und ihre unterschiedlichsten Ausprägungsformen (Dokumentation, Bericht, Prosa, Lyrik) faszinieren, ist „Spiel der Zeit“ ein Lesegenuss.
Ein jeder ist herzlich eingeladen, den neuen Roman von Ulla Hahn bei Felix Jud in Augenschein zu nehmen. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Freitag, 7. November 2014

Gedanken zur digitalen Zukunft: Stellen Sie sich vor, ...



... Sie finden die Dame oder den Herrn ihres Herzens über eine Partnervermittlung im Internet. Sie lernen sich kennen und lieben und heiraten schließlich. Die Partnervermittlung frohlockt und profitiert von ihren Daten, indem auch weitere Paare aufgrund ähnlicher Übereinstimmungen zusammengeführt werden. Die Partnervermittlung arbeitet also mit ihren Daten und verdient Geld damit denn schließlich ist die Nutzung solcher Portale nicht kostenlos. Fänden Sie es nicht fair, eine gewisse, wenn auch minimale Vergütung dafür zu erhalten, dass ihre Daten zum Gewinn und Erfolg der Partnerbörse beitragen? Im Sinne von Jaron Lanier wäre dies ein Beispiel für humanistische Informationsökonomie. Wäre unsere digitale Welt würdevoll, so Lanier, wäre jeder einzelne Mensch der kommerzielle Eigentümer aller seiner Daten, die sich aus seiner Situation oder seinem Verhalten ermitteln lassen.

Die Realität aber sieht anders aus, wie der Autor in seinem jüngsten Werk Wem gehört die Zukunft? (Hoffmann & Campe) eindrücklich vor Augen führt. Ohne Skrupel geben Internetnutzer und damit ein jeder von uns Daten persönlichster Natur an Plattformen wie Google und Facebook weiter, um deren Dienste kostenlos zu nutzen. Während einige große Konzerne dadurch immer reicher werden, gehen im Zuge der Digitalisierung und Prozessautomatisierung mehr und mehr Arbeitsplätze verloren, warnt Lanier. Beispiel 3D-Drucker: Womöglich werden irgendwann in der Zukunft Smartphones oder Tablet-Computer ebenso wie beispielsweise Kleidung einfach ausgedruckt. Menschliche Arbeitskraft? Nahezu überflüssig. Freilich, das ist noch Zukunftsmusik. Nicht umsonst bezeichnet Lanier sein Buch als Science Fiction in Form eines Sachbuchs. Aber: So, wie die Menschheit bisher ihre Welt rund um digitale Netzwerke organisiert hat, kann von keine Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit keine Rede sein, bekräftigt der Autor. Eben dafür Bewusstsein zu schaffen, ist das Ziel seiner Streitschrift.

Spannend für alle Buchliebhaber sind Lanier Ausführungen zur Zukunft des Buches, die allerdings, wie er betont, Skizzierungen auf Basis der bisherigen Entwicklung darstellen. Die Digitalisierung macht es (schon jetzt) möglich, dass ein jeder auf einfachstem Wege und schnell ein Buch veröffentlichen kann. Zugleich wird sich die Art und Weise des Schreibens und Rezipierens ändern. Ein und dasselbe Buch wird nicht für jeden Leser oder bei jedem Lesevorgang unbedingt dasselbe bleiben, so Lanier. Das ist plausibel, bedenkt man, dass bereits heute aus Blog-Episoden Bücher werden oder umgekehrt die Handlung eines Buches im Web fortgeschrieben wird. Eine Entwertung des Buches muss dies nicht zwangsläufig bedeuten. Die Generation der Digital Natives wird in Zukunft immer stärker crossmedial angelegte Geschichten wertschätzen und den Verlagen abfordern. Doch warnt Lanier zugleich: Ein Buch ist kein bloßes Objekt, sondern vollgültiger Ausdruck eines Individuums im Fluss der Menschheitsgeschichte. Und eben dies gelte es zu bewahren. Wohl wahr.

Laniers Ausführungen zu den digital geprägten Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen lesen sich hochspannend und rütteln auf. Es wäre wünschenswert, wenn seine eigene Hoffnung zuträfe, zumindest Verständnis für die Gefahren zu schaffen, die von einer Machtkonzentration auf wenige mächtige Konzerne und deren Sirenenserver ausgehen. All jenen, die sich damit nicht befassen mögen oder bereits resigniert haben, empfiehlt der Autor mit einem Augenzwinkern, beim Lesen eine Sonnenbrille aufzusetzen. Unsere Empfehlung an Sie, liebe Leser und Kunden von Felix Jud: Setzen Sie die Lesebrille auf (falls überhaupt nötig!) und widmen Sie sich Laniers scharfsinnigen Thesen.

Jaron Lanier, US-amerikanischer Informatiker, Musiker und Schriftsteller, ist am 12. Oktober dieses Jahres mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Mit der Forderung, dem schöpferischen Beitrag des Einzelnen im Internet einen nachhaltigen und ökonomischen Wert zu sichern, setzt Jaron Lanier sich für das Bewahren der humanen Werte ein, die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens, auch in der digitalen Welt, sind.“

Dienstag, 28. Oktober 2014

Wir fühlen uns ausgezeichnet

Feierliche Preisverleihung (Foto: Anke Wälischmiller)

Der Julius-Campe-Preis 2014 geht an die Buchhandelskooperation 5plus

Am 10. Oktober 2014 ist auf der Frankfurter Buchmesse der Julius-Campe-Preis an 5plus verliehen worden. Die Laudatio hielt Felicitas von Lovenberg, Autorin und Literaturchefin der FAZ.


Liebe zur Literatur, ein erlesenes Angebot, Sortimentsvielfalt, literarische Fachkompetenz und individuelle Beratung – so lauten die Erfolgsfaktoren jener acht unabhängigen literarischen Buchhandlungen, die sich 2009 auf Initiative von Wilfried Weber, Geschäftsführer Felix Jud, zur Kooperation 5 plus zusammenschlossen. Als Orte für literarische Gesprächskultur bereichern die Buchhandlungen das kulturelle Angebot in ihrem städtischen Umfeld – ganz im Sinne eines Zitates von Helmut Schmidt, der die deutschen Buchhandlungen einmal als „geistige Tankstelle der Republik“ bezeichnete, die einen kulturellen Auftrag in ihrer Umgebung erfüllen und einen wesentlichen Beitrag für die Leseförderung leisten.

Literarisches Gespür und Kundenservice
„5plus ist ein zusätzlicher Schritt, um uns gegenseitig zu unterstützen und unsere Bekanntheit in andere Städte zu tragen“, sagte Wilfried Weber 2009 zum Startschuss von 5plus. Gemeinsame Veranstaltungen, Marketingmaßnahmen, ein eigenes Logo und ein Kundenmagazin gehören zu den Initiativen, mit denen der Zusammenschluss in den vergangenen Jahren in der Branche Beachtung fand, als Paradebeispiel für Kundenorientierung und Marketingverstand gepaart mit literarischer Fachkompetenz.

„Mit dem Julius-Campe-Preis 2014 an die Buchhandlungen 5 plus wird auch die literaturvermittelnde Rolle des Buchhändlers vor Ort ausgezeichnet, die in vielen weiteren literarischen Buchhandlungen in ganz Deutschland erlebt und deren kulturelle Bedeutung nicht genug gewürdigt werden kann“, urteilen die Hoffmann und Campe-Geschäftsführer Daniel Kampa und Markus Klose anlässlich der Verleihung des Julius-Campe-Preises. Die Auszeichnung gilt „Persönlichkeiten oder Institutionen, die sich auf herausragende Weise literaturkritische und literaturvermittelnde Verdienste erworben haben“.

Namensgeber ist Julius Campe (1792 – 1867), der zu den größten Verlegern der deutschen Geschichte zählt. Als Entdecker von Heinrich Heine und als mutiger Förderer der Autoren des „Jungen Deutschlands“ wurde er zum Inbegriff des idealistischen Verlegers, der literarische Entdeckungsfreude mit gesellschaftlichem Engagement vereint. Und zu den diesjährigen Preisträgern passend: Julius Campe war nicht nur Verleger, sondern auch Buchhändler, in der Bohnenstraße 18 in Hamburg.

Ein Auftrag für die Zukunft
Wir 5plus Buchhändler(innen) sind stolz darauf, dass dieser Preis vom Hoffmann und Campe Verlag vergeben wird – der Verlag, in dem das Buch „Wem gehört die Zukunft“ des diesjährigen Friedenspreisträgers des Deutschen Buchhandels Jaron Lanier erschienen ist. Lanier weist in diesem Buch deutlich wie kein anderer auf die Veränderungen und Gefahren hin, die von Internetmonopolen wie Amazon ausgehen. Zusammenfassend sagt er: „Du bist nicht der Kunde der Internetkonzerne. Du bist ihr Produkt.“ 

Wir begreifen diese Auszeichnung als Verpflichtung für die Zukunft. Julius Campe schreibt an Heinrich Heine am 14. Oktober 1834: “Ich arbeite ja nicht wegen meines Futters so viel, wie ich arbeite; es ist das freudige Gefühl was mich treibt und fortreißt das ich am Buchhandel finde etwas wirken zu können, das nicht jedem gegeben ist...“ 

Die Julius-Campe-Preisträger der vergangenen Jahre:
2013: Felicitas von Lovenberg
2012: Petra Roth
2011: Roger Willemsen
2010: Elke Heidenreich
2009: Elisabeth Niggemann
2008: Wendelin Schmidt-Dengler (posthum)
2007: Klaus Reichert
2006: Michael Naumann
2005: Jan Philipp Reemtsma
2004: Joachim Kaiser
2003: Heinrich Detering
2002: Martin Walser







Sonntag, 22. Juni 2014

Neuübersetzung: "Washington Square" von Henry James, dem Meister des psychologischen Erzählens

Plötzlich stand er vor ihr, der „bemerkenswert gut“ aussehende junge Morris Townsend - die Bekanntschaft eines solch eloquenten Charmeurs zu machen, war kaum die Erwartung von Catherine Sloper gewesen, als sie sich zur Verlobungsfeier ihrer Cousine begeben hatte. Doch ganz offensichtlich war sein Interesse an ihr groß und ihr Entzücken nicht minder… der Beginn einer romantischen Liaison? Ganz so einfach verhält es sich nicht. Denn schließlich ist Catherine als Tochter eines wohlhabenden Arztes im New York Mitte der 1850er Jahre eine äußerst gute Partie. Das wiederum stimmt Catherines Vater misstrauisch gegenüber dem Werben des jungen Mannes. In den Augen von Dr. Austin Sloper ist Catherine nicht eben eine junge Dame, die das männliche Geschlecht durch ihre Schönheit, Anmut oder Intelligenz bezaubern könnte. Besitzt sie nach Ansicht ihres Vaters doch keine dieser Eigenschaften in besonderem Maße.

Es scheint, als stehe die sich anbahnende Beziehung zwischen Catherine und Morris unter keinem guten Stern. Zumal Catherine in ihrem Vater eine in jeder Hinsicht ehrenwerte moralische und autoritäre Instanz sieht. „Liebe fordert bestimmte Dinge als ihr Recht; Catherine aber hatte keinen Sinn für ihre Rechte; sie hatte lediglich ein Bewusstsein von unermesslichen und unerwarteten Gunstbezeigungen“, befindet der auktoriale Erzähler in Henry James Roman, der 1881 erstmals in Buchform erschien und jetzt bei Manesse in einer Neuübersetzung vorliegt. 

Und welche Motive hat Morris Townsend wirklich? Ist er ein Mitgiftjäger, wie von Dr. Sloper befürchtet? Dem Leser fällt es schwer, sich ein Urteil darüber zu bilden. Denn der Erzähler spielt meisterlich mit den Erwartungen des Lesers: Hier eine Andeutung, dort ein ironischer Kommentar und dennoch stets plastische Beschreibungen der emotionalen und rationalen Beweggründe und Beziehungen der Figuren untereinander.

Für zusätzliches Amusement des Lesers und Turbulenzen auf Handlungsebene sorgt Catherines Tante Lavinia Penniman, deren Hang zu romantischen und dramatischen Liebesgeschichten eine ganz eigene Wendung der Ereignisse bewirken mag.
Catherine selbst schwankt zwischen kindlichem Gehorsam, Pflichtgefühl, ihren Gefühlen für Morris und dem wachsenden Bedürfnis, eigenverantwortlich zu handeln und zu entscheiden.
Wird die zwölfmonatige Europareise, auf die Dr. Sloper seine Tochter mitnimmt, Catherine zur Vernunft bringen - wie ihr Vater es erhofft? Nach der Rückkehr ins heimische New York, an den Wohnsitz der Familie am Washington Square, verlaufen die Ereignisse anders, als es Catherine selbst erwartet hätte. 

Am Ende des Romans bleibt der Leser fasziniert zurück ob der sprachlichen Raffinesse, mit der Henry James das emotionale Innenleben und den Charakter seiner Figuren offenbar werden lässt, ohne damit die Wendungen der Handlung vorwegzunehmen. Vielmehr schwankt auch der Leser zwischen den doch all zu menschlichen Motiven der einzelnen Protagonisten. Und das ist ganz im Sinne des Autors: „Glaube nichts was dir irgendjemand über irgendjemand anderes erzählt. Beurteile jeden und alles für dich selbst“, lautet ein bekanntes Zitat von Henry James.

Die Neuübersetzung von „Washington Square“ (Manesse Verlag, Zürich, Übersetzung: Bettina Blumenberg, ISBN: 978-3-7175-2310-9, 24,95 Euro) ebenso wie weitere Werke des amerikanischen Schriftstellers erhalten Sie bei Felix Jud. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!