Samstag, 22. März 2014

Naturlyrik von Barthold Hinrich Brockes: Zeitlos schön


v.l. Prof. Jan Philipp Reemtsma, Prof. Volker Gerhardt
und Wifried Weber (Felix Jud)
Als „Hamburger Goethe“ betitelte die Tageszeitung „Die Welt“ einmal den Dichter und Senator Barthold Hinrich Brockes (1680-1747)— und nicht umsonst trägt eine Straße unweit des Hauptbahnhofes noch heute den Namen des Poeten. „Er war die literarische Berühmtheit jener Zeit in Deutschland“, bekräftigte Jan Philipp Reemtsma, als er am Abend des 19. März in den Räumlichkeiten der Buchhandlung Felix Jud Auszüge aus dem Werk von Brookes vortrug.

Mehrere tausend Seiten voll praller Natur-Lobpreisungen schrieb der Lyriker der frühen Aufklärung einst nieder. Nicht jedem mag die so entstandene Gedichtsammlung „Irdisches Vergnügen in Gott“ bekannt sein. Gleichwohl erschließt sie sich leicht einem jeden, der sich genussvoll von dem wahrhaftigen Wortschwall des Werkes einnehmen lässt. 

In der Tat spiegeln Brockes Verse eine impressionistische Sichtweise auf die Dinge wider, die auch heute noch zu begeistern und zuweilen zu amüsieren vermag. Denn es scheint nichts in der Natur zu geben, dass Brockes nicht entzückt und en détail beschreibt: Sonne, Luft, Wasser, durch Licht und Schatten veränderte Landschaften, Blumen jeder Sorte, ja selbst Kühe und Ameisen:

„In diesem holden Ort’ und schönen Lustrevier
erblickt ich einen Ameisenhaufen.
Ich sah Verwundrungsvoll dieß kleine Thier,
Mit unverdrossnem Fleiß und eifriger Begier,
Sich stets bewegen, rennen, laufen.
Es eilt sonder Ruh’, und hatte keine Zeit,
Die ungemeine Pracht, die holde Zierlichkeit,
Veränderung, Farben, Glanz, Schmuck, Ordnung, Seltenheit
Des Gartens anzusehn. Ach! rief ich überlaut:
Du scheinst, wie sehr mir auch vor der Vergleichung graut,
Uns zum belehrenden Exempel vorgestellt.
Die Ameis’ ist der Mensch, der Garten ist die Welt."

Barthold Hinrich Brockes: Irdisches Vergnügen in Gott.
Erster und zweiter Teil. Hrsg. u. Kommentar von Jürgen Rathje.
Werke Bd.2. 2013. 1216 Seiten. €  98.- Verlag Wallstein
„Alles auf der Welt kann zur Produktion eigener poetischer Schönheit werden“, charakterisiert Jan Philipp Reemtsma die Lyrik von Brockes, der die Natur stets als eine von Gott gegebene Schönheit besingt, auf dass sie der Betrachter und Leser mit allen seinen Sinnen in sich aufsauge.

Die Mannigfaltigkeit der Farben, Schatten, Umrisse, Formen, optische Spiele - all dies steht bei Brockes besonders im Mittelpunkt, womit erneut die Parallele zum Impressionismus ersichtlich wird:

„Was entsteht nicht durch die Sonne
Überall für Nutz und Wonne!
Diese Licht- und Lebens-Quelle
Machet nicht nur jede Stelle
In der Luft, und auf der Erden,
Auch so gar in kalter Flut,
Lieblich, lustig, hell und licht;
Es wird, von der reinen Glut,
Durch das sinnliche Gesicht,
Selbst in meiner Seelen helle.“

Brachte es Brockes in Hamburg seinerzeit als Ratsherr zu Ruhm und Ehre, so verschaffte ihm sein dichterisches Werk landesweit Bekanntheit; insbesondere die Naturlyrik prägte er nachhaltig.

Mag er in längst vergangenen Zeiten seine Verse verfasst haben - auf faszinierende Weise schafft es Brockes noch heute, den Blick des Lesers auf die Natur neu zu schärfen und dabei wohlige Glücksgefühle auszulösen. Wer sich davon überzeugen mag, dem sei ein vertiefter Blick in das Werk von Brockes ans Herz gelegt.

Zum Abschluss noch ein paar beschwingte Verse von Brockes - passend zum Frühlingsanfang:

„Meine Seele hört im Sehen,
Wie, den Schöpfer zu erhöhen,
Alles jauchzet, alles lacht.
Höret nur!
Des beblümten Frühlings Pracht
Ist die Sprache der Natur,
Die sie deutlich durchs Gesicht
Allenthalben mit uns spricht.


Quelle aller Verse: Reclam, B.H. Brockes, „Irdisches Vergnügen in Gott“, ISBN 978-3-15-002015-9

Alle Fotos: Tim Brüning