Sonntag, 26. April 2015

Leif Randt zu Gast bei Felix Jud: "Wir schreiben das Jahr 48 n. AS..."

Wie wäre es, in einer Welt zu leben, in der ein Computersystem die Bedürfnisse der Menschen reguliert, in der eine ausgeklügelte Statistik für Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit sorgt? Ein solches System wäre in jedem Falle uneigennützig. „Es versucht, das Gemeinschaftsleben fair zu organisieren und zeichnet sich deshalb durch Güte aus“, sagt der junge Autor Leif Randt, und ergänzt: „Eine kühle Güte.“ Wohl wahr: Emotionen nämlich, die einem solchen System schaden könnten, werden in jedem Fall vermieden.

In seinem Roman „Planet Magnon“ entwirft Leif Randt ein Gesellschaftssystem, das unter exakt diesen Bedingungen funktioniert. Hört man Leif Randt sprechen, hat man fast das Gefühl, er ist gerade aus jenem Sonnensystem eingeflogen, das er in seinem Science Fiction-Roman nachzeichnet. Nicht etwa, weil er von dessen Lebensphilosophie ganz und gar überzeugt wäre. Vielmehr sind seine Schilderungen sachlich und klar, als habe er jene Welt ausgiebig studiert, um den Erdenbürgern nun das Konzept in allen seinen Vorzügen und Nachteilen vor Augen zu führen. Am Abend des 23. April, dem Welttag des Buches, las Leif Randt Auszüge seines Buches bei Felix Jud. Die von Ulrich Greiner moderierte Soirée bildete den Auftakt einer neuen Reihe, in deren Rahmen künftig regelmäßig junge, stilbildende Autoren bei Felix Jud zu Gast sein werden. 


Leif Randt versetzte die Gästeschar in das Jahr 48 n. AS - die Abkürzung steht für Actual Sanity, jenes vermeintlich perfekte Computersystem, das die Geschicke der Menschen in einem fernen Sonnensystem leitet, dessen Planeten Namen tragen wie Blink, Cromit oder Snoop. Die Menschen haben sich zu unterschiedlichen Kollektiven zusammengeschlossen, die ihre jeweils eigenen Lebensformen ausprobieren. Erzählt wird die Geschichte aus Sicht des Protagonisten Marten Eliot vom Kollektiv Dolphin. Während er und seine Mitstreiterin Emma Glendale voll in ihrem System aufgehen, wird dieses von anderer Seite bedroht. Denn das „Kollektiv der gebrochenen Herzen“ erhebt sich gewaltsam gegen eine Welt, die zwar keine Konflikte kennt, aber auch keine Leidenschaften. Sich zu verlieben etwa, „wird nur für einen Zeitraum zugelassen, der sinnvoll erscheint und nicht von den eigentlichen Aufgaben ablenkt“, erklärt Leif Randt. „Wirklich zugelassen wird das Verliebtsein erst im Best Age ab 63 Jahren“, erklärt er so trocken als sei es gänzlich selbstverständlich.

Leif Randt vermag es, seine Leser und Zuhörer in der Schwebe zu lassen: Ist die Welt, die er beschreibt, nun richtig und gut? „Es gibt auch einiges, das mir nicht behagt“, sagt der Autor, „Im Zwischenmenschlichen sind die Dolphins ganz und gar nicht vorbildlich“, erklärt er. Und man nimmt es ihm voll und ganz ab, wenn er sagt, er habe nicht wissenschaftlich genau, sondern kindlich genau geschrieben. Dem Detailreichtum und der Genauigkeit seines Werkes tut dies allerdings keinen Abbruch. So enthält sein Buch einen Glossar mit Stichworten und Begrifflichkeiten aus der Lebenswelt der Kollektive wie etwa das „Anaseptusfleisch“ oder „Celius“, eine Art Versenkungsübung mit dem Ziel innerer Ergriffenheit.

Ist „Planet Magnon“ wie so viele Utopien eine Kritik an unserer Welt? fragt Ulrich Greiner. Sein erster Schreibimpuls sei dies nicht gewesen, meint Leif Randt und die Erklärung seines Verhältnisses zum Buch ist sympathischer Weise genauso sachlich-trocken wie der Glossar in seinem Buch: „Planet Magnon ist die Herbeihalluzinierung eines Zustandes mit Anziehungs- und Abstoßungsverhältnis.“ So mag es auch den Lesern gehen: Planet Magnon entführt in eine Welt, die fasziniert und zugleich abschreckt. Wer Lust auf die Reise in Leif Randts Sonnensystem hat, dem sei ein Besuch bei Felix Jud ans Herz gelegt. Wir freuen uns auf Sie, liebe Leserinnen und Leser!

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