Mittwoch, 19. Mai 2021

Bibliothek Deutscher Klassiker

Über einen instagram-Deal zweier Antiquare

„Als die Postmoderne regierte, gründete Siegfried Unseld den Deutschen Klassiker Verlag, der die gesamte klassische Literatur unseres Sprachraums in höchsten Ansprüchen genügenden Ausgaben verfügbar macht.“ Hubert Spiegel, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Nicht nur Leser und Kunden informieren sich immer mehr auf den Social-Media-Kanälen über Bücher und Autoren, sondern auch der eine oder andere Antiquar legt an langen Corona-Abenden den Wiegendruck einmal (natürlich nur kurz) zur Seite und lässt sich von der schwerelosen Welt der bunten instagram-Bilder ablenken. Aber bevorzugt schaut man sich dann eben doch die inhaltsvollen Postings und Stories der buchliebenden Kolleginnen und Kollegen an. Zu einem Handel kam es dabei jüngst zwischen Michael Solder (Münster) und Robert Eberhardt (Felix Jud Hamburg). Im Chat kam man auf die „Bibliothek Deutscher Klassiker“ zu sprechen, die Michael Solder in Münster fand und den Kollegen in Hamburg darauf ganz wild machte. 

Michael Solder (links) und Robert Eberhardt (rechts)
Michael Solder und Robert Eberhardt

Dieser fragte sogleich seine zwei Kolleginnen Marina Krauth und Annegret Schult, die seit Jahrzehnten als Buchhändlerinnen bei Felix Jud wirken, wie sie die Chancen für solch eine, mehr als 200 Einzelbände umfassende komplette Sammlung einschätzen. Es war rasch klar: diese Sammlung muss nach Hamburg! Denn als geschlossene, alle Bände umfassende Zusammenstellung hatte man die "Bibliothek Deutscher Klassiker" bisher nur einmal im Haus. Zudem intensiviert man zur Zeit das Kuratieren ganzer Bibliotheken und daher ist eine solche Sammlung mehr als willkommen. 

Gesagt, getan. Michael Solder setzte sich in sein Auto und eine Maske auf und kam in den Genuss einer kleinen Dienstreise. Ein bisschen Möwengeschrei und maritimes Feeling in diesen reiselosen Zeiten... Sein portugiesisches Essen to go bekam der reisende Antiquar vom Restaurant sogar in echten Töpfen mit aufs Hotelzimmer. Da sage mal einer, auf einer Corona-Reise könne man nichts erleben...

 

Zurück zur „Bibliothek Deutscher Klassiker": Die Übergabe geschah in freudiger Stimmung an einem Montagmorgen. In acht Chiquita-Bannanen-Kartons verstaute Michael Solder seinen Schatz. Im Grunde bestätigte man sich eine halbe Stunde nur darin, dass jeder Anwesende die acht Kisten voll des „deutschensprachigen Geistes“ eigentlich selbst besitzen möchte… Nur wie bezahlen? Das Schicksal des Buchhändlers und Antiquars bleibt das Gehenlassen des Geliebten...


201 Einzelbände umfasst die Bibliothek


Mit der Anlieferung der kompletten Bibliothek schließt sich auch ein Kreis. Denn als Siegfried Unseld Mitte der 1980er Jahre durch Deutschland tourte und die Buchhändler des Landes für sein Projekt begeisterte, besuchte er auch Wilfried Weber, damaliger und langjähriger Inhaber der „Hamburger Bücherstube“, wie "Felix Jud & Co" sich damals noch ganz gemütlich nannte. Von literarischer Inbrunst bebende Verleger bei ebensolchen Buchhändlern… hach ja, das war 1985. Unseld schrieb in seinen Reiseberichten, die in Auswahl 2020 erschienen, auch über seine „Promotour“ nach Hamburg: 

 

„Flug nach Hamburg via München. Im Flugzeug Claus Peymann. Da war plötzlich Peymann wieder auf meiner Seite. Wie könne man Bernhard bewegen, daß er mit ihm, Peymann, kooperiere? Freilich sei es ja gut, wenn keine andere österreichische Bühne Bernhard spielen könnte, aber er müsse frei darüber verfügen. 


Hamburg 

In der Reihe der Nobel-Hotels, die sich der Klassiker-Verlag für die Abendessen mit den Buchhändlern ausgesucht hatte, fügte sich das Atlantic gut ein; freilich, diesmal war das Hotel für die teilnehmenden Buchhändler wirklich richtig. Es waren nicht - wie im Berliner Kempinski - Jungbuchhändlerinnen, sondern wirklich die prominenten Leute des Buchgeschäfts anwesend. Und die waren sehr angetan von der Bibliothek und ihrer Präsentation.


Albrecht Schöne hielt einen sehr guten Vortrag über die Genesis der Zeile von „auf eigenem Grund und Boden stehen“ bis hin „auf freiem Grund mit freiem Volke stehen“.


Am nächsten Morgen Besuch bei den Buchhandlungen Saucke und Jud. Mit Herrn Weber habe ich eine besondere Aktion für das Evangeliar besprochen. Seine Überlegung ist, sofortiger Werbebeginn für die Subskription bei der ersten Ausstellung im August in Braunschweig. Für die Werbung braucht er zumindest eine Doppelseite. Dann: bei Veranstaltungen im kleinen Kreis von Interessierten müsse ein Blindband vorliegen. Bei der Subskriptionsbestellung wäre eine Zahlung von DM 5000,- erforderlich. Herr Weber wird sich weiter „Gedanken“ machen.“


(Siegfried Unseld: Reiseberichte. Herausgegeben von Raimund Fellinger, Suhrkamp, 2020, S. 206f)

Siegfried Unseld später zu Besuch bei uns, 75. Firmenjubiläum, 1998. Auf dem Foto von links: Gottfried Honnefelder, Günther Christiansen, Marina Krauth, Wilfried Weber, Siegfried Unseld.


Ein neues Handelsmedium, das uns eine so wertvolle Bibliothek ins Haus brachte - wir sagen "Danke instagram!".


Die Bibliothek Deutscher Klassiker ist bei uns erhältlich. Hier mehr erfahren.


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