... Sie finden die Dame –
oder den Herrn – ihres Herzens über
eine Partnervermittlung im Internet. Sie lernen sich kennen und lieben und
heiraten schließlich. Die Partnervermittlung
frohlockt und profitiert von ihren Daten, indem auch weitere Paare aufgrund ähnlicher
Übereinstimmungen zusammengeführt werden.
Die Partnervermittlung arbeitet also mit ihren Daten und verdient Geld damit –
denn schließlich ist die Nutzung solcher Portale nicht
kostenlos. Fänden Sie es nicht fair, eine gewisse, wenn auch
minimale Vergütung dafür zu erhalten, dass ihre Daten
zum Gewinn und Erfolg der Partnerbörse beitragen? Im Sinne von
Jaron Lanier wäre dies ein Beispiel für „humanistische
Informationsökonomie“. Wäre unsere
digitale Welt würdevoll, so Lanier, „wäre
jeder einzelne Mensch der kommerzielle Eigentümer aller
seiner Daten, die sich aus seiner Situation oder seinem Verhalten ermitteln
lassen.
Die Realität aber sieht anders aus, wie
der Autor in seinem jüngsten Werk „Wem
gehört die Zukunft?“
(Hoffmann & Campe) eindrücklich vor Augen führt. Ohne
Skrupel geben Internetnutzer – und damit ein jeder von uns –
Daten persönlichster Natur an Plattformen wie Google und
Facebook weiter, um deren Dienste kostenlos zu nutzen. Während
einige große Konzerne dadurch immer reicher werden, gehen im
Zuge der Digitalisierung und Prozessautomatisierung mehr und mehr Arbeitsplätze
verloren, warnt Lanier. Beispiel 3D-Drucker: Womöglich
werden irgendwann in der Zukunft Smartphones oder Tablet-Computer ebenso wie
beispielsweise Kleidung einfach ausgedruckt. Menschliche Arbeitskraft? Nahezu überflüssig.
Freilich, das ist noch Zukunftsmusik. Nicht umsonst bezeichnet Lanier sein Buch
als „Science Fiction in Form eines Sachbuchs“.
Aber: So, wie die Menschheit bisher ihre Welt rund um digitale Netzwerke
organisiert hat, kann von keine Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit keine Rede
sein, bekräftigt der Autor. Eben dafür
Bewusstsein zu schaffen, ist das Ziel seiner Streitschrift.
Spannend für alle Buchliebhaber sind
Lanier Ausführungen zur Zukunft des Buches, die allerdings, wie
er betont, Skizzierungen auf Basis der bisherigen Entwicklung darstellen. Die
Digitalisierung macht es (schon jetzt) möglich, dass
ein jeder auf einfachstem Wege und schnell ein Buch veröffentlichen
kann. Zugleich wird sich die Art und Weise des Schreibens und Rezipierens ändern.
„Ein und dasselbe Buch wird nicht für
jeden Leser oder bei jedem Lesevorgang unbedingt dasselbe bleiben“,
so Lanier. Das ist plausibel, bedenkt man, dass bereits heute aus Blog-Episoden
Bücher werden oder umgekehrt die Handlung eines Buches
im Web fortgeschrieben wird. Eine Entwertung des Buches muss dies nicht zwangsläufig
bedeuten. Die Generation der „Digital Natives“
wird in Zukunft immer stärker crossmedial angelegte
Geschichten wertschätzen und den Verlagen
abfordern. Doch warnt Lanier zugleich: „Ein Buch ist kein bloßes
Objekt, sondern vollgültiger Ausdruck eines
Individuums im Fluss der Menschheitsgeschichte.“
Und eben dies gelte es zu bewahren. Wohl wahr.
Laniers Ausführungen zu den digital geprägten
Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen lesen sich hochspannend und rütteln
auf. Es wäre wünschenswert, wenn seine eigene
Hoffnung zuträfe, zumindest Verständnis für
die Gefahren zu schaffen, die von einer Machtkonzentration auf wenige mächtige
Konzerne und deren „Sirenenserver“
ausgehen. All jenen, die sich damit nicht befassen mögen
oder bereits resigniert haben, empfiehlt der Autor mit einem Augenzwinkern,
beim Lesen eine Sonnenbrille aufzusetzen. Unsere Empfehlung an Sie, liebe Leser
und Kunden von Felix Jud: Setzen Sie die Lesebrille auf (falls überhaupt
nötig!) und widmen Sie sich Laniers scharfsinnigen
Thesen.
Jaron Lanier, US-amerikanischer Informatiker, Musiker und Schriftsteller, ist am 12. Oktober dieses Jahres mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Mit der Forderung, dem schöpferischen Beitrag des Einzelnen im Internet einen nachhaltigen und ökonomischen Wert zu sichern, setzt Jaron Lanier sich für das Bewahren der humanen Werte ein, die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens, auch in der digitalen Welt, sind.“
Jaron Lanier, US-amerikanischer Informatiker, Musiker und Schriftsteller, ist am 12. Oktober dieses Jahres mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: „Mit der Forderung, dem schöpferischen Beitrag des Einzelnen im Internet einen nachhaltigen und ökonomischen Wert zu sichern, setzt Jaron Lanier sich für das Bewahren der humanen Werte ein, die Grundlage eines friedlichen Zusammenlebens, auch in der digitalen Welt, sind.“