„Ankunft in den heiligen Hallen des
Rowohlt Verlages. Jedoch
war nichts ‚heilig‘, noch gab es Hallen.“ – mit diesen Worten beschreibt
Fritz
J. Raddatz seinen ersten Besuch in jenem Verlagshaus, dessen Geschicke er
später einmal entscheidend mitbestimmen sollte, als dessen stellvertretender
Leiter 1960 bis 1969.
Damals jedoch, Anfang der Fünfziger Jahre, war Fritz J.
Raddatz noch stellvertretender Cheflektor des Ostberliner Verlags Volk und Welt.
In jener Zeit stand für Raddatz ein großer, schwungvoller Schnörkel
sinnbildlich für den Rowohlt Verlag, nämlich jener Schnörkel, der die
Unterschrift von Heinrich Maria Ledig Rowohlt unter Lizenzverträgen darstellte.
„Den Mann hinter dem Schnörkel kannte ich nicht“, schreibt Raddatz auf den
ersten Seiten seines im Februar 2015 – freilich bei Rowohlt erschienenen –
Buches „
Jahre mit Ledig“.
Nur 160 Seiten umfasst das Werk, diese jedoch in so hohem
Tempo, mit dem Raddatz-typischen geistreichen Ton und Wortwitz verfasst, dass
die Lektüre die Beziehung zwischen dem einstigen Verleger und seinem
Stellvertreter äußerst lebendig werden lässt; nicht zuletzt wirft das Buch ein
Schlaglicht auf die Geschichte des deutschen Verlagswesens nach dem Zweiten
Weltkrieg.
Jenen Gästen der Buchhandlung Felix Jud, denen Fritz Raddatz
am Abend des
11. Februar sein Buch in Auszügen präsentierte, war die
Begeisterung ob der blitzenden Leidenschaft anzumerken, die das verlegerische
Schaffen seinerzeit prägte und die intensiv aus den Zeilen des Buches spricht.
Der zuvor beschriebene, erste Besuch von Raddatz bei Rowohlt - beim "Schnörkelmann"- war für
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Alexander Graf Schönburg (l.) mit Fritz J. Raddatz |
den damals jungen, ambitionierten Cheflektor allerdings eine
mittelschwere Enttäuschung. Mit einem „westtauglichen Anzug“ und 70 DM Devisen ausgestattet,
reiste Raddatz damals nach Hamburg, um "Ledig", wie der Verleger einst sogar von seinem Vater Ernst Rowohlt genannt wurde, seine Idee einer „gesamtdeutschen
großen Kurt Tucholsky-Ausgabe“ darzulegen. Statt eines elegant daherkommenden
Verlagshauses erwartete Raddatz allerdings ein“ Irrenhaus“: gammelige Möbel,
Aktenstapel auf dem Boden, gepaart mit Kaffeetassen und aufplatzenden
Katalog-Kartons – und mittendrin ein Verleger, der nach reichhaltigem
Mittagessen, nur wenig bis gar nicht konzentriert den Ausführungen seines
Gastes folgte. Wie konnte auf Basis dieser „Entzauberung“, wie Raddatz treffend
beschreibt, ein später so freundschaftliches, inniges, von gemeinsamer
Begeisterung für die Literatur geprägtes Verhältnis zwischen Ledig und Raddatz
entstehen? Davon erzählt dieses Buch in beeindruckender Weise.
„Mit diesem Werk möchte ich dem großen, bedeutenden Verleger
meine Hommage machen. Er war es, der der Nachkriegsgeneration die Fenster zur
Welt öffnete“, betonte Raddatz im Rahmen der Buchvorstellung bei Felix Jud. Bezug
nehmend auf das an internationaler Literatur reiche Verlagsprogramm von Rowohlt
und den Mut, auch unbekannte oder außergewöhnliche Autoren an Bord zu holen,
sagte Raddatz: „Das war ein ganzer Kontinent von Kultur, den Ledig uns
geschenkt hat.“
Die Soirée in den Räumlichkeiten von Felix Jud am Neuen Wall
wurde abgerundet mit einem Gespräch zwischen Raddatz und
Alexander Graf
Schönburg, Autor des Rowohlt Verlages. Gefragt nach der „DNA“ von Rowohlt,
sagte Raddatz: „Das Signalmoment dieses Verlags ist ein Stück Wahnsinn. Rowohlt
war immer verrückt und nie einzuordnen in ein striktes, lineares Programm“, was
sich auch in der Tatsache wiederspiegelte, dass Heinrich Maria Ledig Rowohlt in
seiner Entscheidung für oder gegen einen Autoren „irrational“ gewesen sei,
wenngleich nicht minder erfolgreich. „Ledig war klug, kommerziell und sehr
beschlagen“, führte Raddatz aus. Er selbst sei in den Jahren an der Seite von
Ledig gewissermaßen sein „Einflüsterer“ gewesen, auf dessen Feingefühl für das
Verlagsprogramm er vertraute. „Er nannte mich manchmal ‚der Teufel“, da ich
stets hartnäckig blieb und nicht nachgab im ‚Einflüstern“ meiner Ideen und
Einschätzungen“, so Raddatz, der sich gerne an jene Zeiten erinnert, in denen
nicht nur in Verlagshäusern, sondern auch zwischen Verlegern eine engere,
familiäre Zusammenarbeit vorherrschte als es in der heutigen, konzerngeprägten
Buchbranche der Fall sei.
„
Jahre mit Ledig“, das lebendige Porträt, das Fritz J.
Raddatz von Heinrich Maria Ledig Rowohlt zeichnete, erwartet Sie, liebe
Leserinnen und Leser, bei Felix Jud am Neuen Wall. Wir freuen uns über Ihren
Besuch und Ihre Meinung zum Buch!