Mittwoch, 18. Februar 2015

"Der Schnörkelmann"; Was Sie schon immer über Rowohlt wissen wollten


„Ankunft in den heiligen Hallen des Rowohlt Verlages. Jedoch war nichts ‚heilig‘, noch gab es Hallen.“ – mit diesen Worten beschreibt Fritz J. Raddatz seinen ersten Besuch in jenem Verlagshaus, dessen Geschicke er später einmal entscheidend mitbestimmen sollte, als dessen stellvertretender Leiter 1960 bis 1969.

Damals jedoch, Anfang der Fünfziger Jahre, war Fritz J. Raddatz noch stellvertretender Cheflektor des Ostberliner Verlags Volk und Welt. In jener Zeit stand für Raddatz ein großer, schwungvoller Schnörkel sinnbildlich für den Rowohlt Verlag, nämlich jener Schnörkel, der die Unterschrift von Heinrich Maria Ledig Rowohlt unter Lizenzverträgen darstellte. „Den Mann hinter dem Schnörkel kannte ich nicht“, schreibt Raddatz auf den ersten Seiten seines im Februar 2015 – freilich bei Rowohlt erschienenen – Buches „Jahre mit Ledig“.

Nur 160 Seiten umfasst das Werk, diese jedoch in so hohem Tempo, mit dem Raddatz-typischen geistreichen Ton und Wortwitz verfasst, dass die Lektüre die Beziehung zwischen dem einstigen Verleger und seinem Stellvertreter äußerst lebendig werden lässt; nicht zuletzt wirft das Buch ein Schlaglicht auf die Geschichte des deutschen Verlagswesens nach dem Zweiten Weltkrieg.

Jenen Gästen der Buchhandlung Felix Jud, denen Fritz Raddatz am Abend des 11. Februar sein Buch in Auszügen präsentierte, war die Begeisterung ob der blitzenden Leidenschaft anzumerken, die das verlegerische Schaffen seinerzeit prägte und die intensiv aus den Zeilen des Buches spricht.

Der zuvor beschriebene, erste Besuch von Raddatz bei Rowohlt - beim "Schnörkelmann"- war für
Alexander Graf Schönburg (l.) mit Fritz J. Raddatz
den damals jungen, ambitionierten Cheflektor allerdings eine mittelschwere Enttäuschung. Mit einem „westtauglichen Anzug“ und 70 DM Devisen ausgestattet, reiste Raddatz damals nach Hamburg, um "Ledig", wie der Verleger einst sogar von seinem Vater Ernst Rowohlt genannt wurde, seine Idee einer „gesamtdeutschen großen Kurt Tucholsky-Ausgabe“ darzulegen. Statt eines elegant daherkommenden Verlagshauses erwartete Raddatz allerdings ein“ Irrenhaus“: gammelige Möbel, Aktenstapel auf dem Boden, gepaart mit Kaffeetassen und aufplatzenden Katalog-Kartons – und mittendrin ein Verleger, der nach reichhaltigem Mittagessen, nur wenig bis gar nicht konzentriert den Ausführungen seines Gastes folgte. Wie konnte auf Basis dieser „Entzauberung“, wie Raddatz treffend beschreibt, ein später so freundschaftliches, inniges, von gemeinsamer Begeisterung für die Literatur geprägtes Verhältnis zwischen Ledig und Raddatz entstehen? Davon erzählt dieses Buch in beeindruckender Weise.

„Mit diesem Werk möchte ich dem großen, bedeutenden Verleger meine Hommage machen. Er war es, der der Nachkriegsgeneration die Fenster zur Welt öffnete“, betonte Raddatz im Rahmen der Buchvorstellung bei Felix Jud. Bezug nehmend auf das an internationaler Literatur reiche Verlagsprogramm von Rowohlt und den Mut, auch unbekannte oder außergewöhnliche Autoren an Bord zu holen, sagte Raddatz: „Das war ein ganzer Kontinent von Kultur, den Ledig uns geschenkt hat.“

Die Soirée in den Räumlichkeiten von Felix Jud am Neuen Wall wurde abgerundet mit einem Gespräch zwischen Raddatz und Alexander Graf Schönburg, Autor des Rowohlt Verlages. Gefragt nach der „DNA“ von Rowohlt, sagte Raddatz: „Das Signalmoment dieses Verlags ist ein Stück Wahnsinn. Rowohlt war immer verrückt und nie einzuordnen in ein striktes, lineares Programm“, was sich auch in der Tatsache wiederspiegelte, dass Heinrich Maria Ledig Rowohlt in seiner Entscheidung für oder gegen einen Autoren „irrational“ gewesen sei, wenngleich nicht minder erfolgreich. „Ledig war klug, kommerziell und sehr beschlagen“, führte Raddatz aus. Er selbst sei in den Jahren an der Seite von Ledig gewissermaßen sein „Einflüsterer“ gewesen, auf dessen Feingefühl für das Verlagsprogramm er vertraute. „Er nannte mich manchmal ‚der Teufel“, da ich stets hartnäckig blieb und nicht nachgab im ‚Einflüstern“ meiner Ideen und Einschätzungen“, so Raddatz, der sich gerne an jene Zeiten erinnert, in denen nicht nur in Verlagshäusern, sondern auch zwischen Verlegern eine engere, familiäre Zusammenarbeit vorherrschte als es in der heutigen, konzerngeprägten Buchbranche der Fall sei.

Jahre mit Ledig“, das lebendige Porträt, das Fritz J. Raddatz von Heinrich Maria Ledig Rowohlt zeichnete, erwartet Sie, liebe Leserinnen und Leser, bei Felix Jud am Neuen Wall. Wir freuen uns über Ihren Besuch und Ihre Meinung zum Buch!

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