Im Gespräch mit Katja Scholtz (Verantwortliche für das Buchprogramm seit 2008) und Alexander Pechmann (Autor, Übersetzer, Herausgeber) über die mare-Klassiker
Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es den von Nikolaus Gelpke gegründeten mare-Verlag mit Sitz in Hamburg. War dieser zunächst vor allem bekannt durch seine Zeitschriften-Reihe, entwickelten sich schnell weitere Programmfelder. Seit Katja Scholtz 2008 zum Verlag gestoßen war, spielten Nikolaus Gelpke und sie mit dem Gedanken, Klassiker der Meeresliteratur herauszubringen. So war der Weg geebnet für eine der schönsten Klassikerreihen im deutschsprachigen Raum.
„Wir wussten immer: Wenn wir das machen, dann nicht einfach irgendwie, sondern richtig. Und richtig heißt: Die Qualität muss stimmen. Weder inhaltlich noch formal wollten wir Kompromisse machen, von der Auswahl der Übersetzer und Herausgeber über die Innengestaltung bis hin zu Papier, Fadenheftung, Leineneinband und Schuber muss alles stimmen, jeder einzelne Band soll ein wunderschönes, wertiges, inhaltlich und formal überzeugendes Objekt für sich sein und sich gleichzeitig elegant in eine Reihe fügen.“
„Der Erfolg war riesig, wir mussten innerhalb kürzester Zeit nachdrucken und sind heute in der 6. Auflage. Da wussten wir: Das Konzept geht auf, die Leser wissen die Qualität zu schätzen.“
Es folgten Texte wie dem bis dato unveröffentlichten Auf See von Guy de Maupassant, auf den der Verlag von der Übersetzerin Cornelia Hasting aufmerksam gemacht worden war. „Eines meiner absoluten Lieblingsbücher“, wie Katja Scholtz betont. „Dass sich sogar unveröffentlichte Texte aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert auffinden lassen würden und dass es Leser gibt, die nicht nur unsere Begeisterung für die Inhalte teilen, sondern auch die Leidenschaft für die besondere Ausstattung der Bücher, hat uns enorm motiviert.“
Sie spricht allerdings auch von Hürden und frustrierenden Momenten. Bei der Neuübersetzung von Stevensons Schatzinsel war ein anderer Verlag (Hanser) schneller. Und manchmal würden einzelne Bücher nicht die erhoffte Aufmerksamkeit erhalten. „Henry Bestons wunderschönem Buch Das Haus am Rand der Welt, das zu den großen Klassikern des amerikanischen Nature Writing zählt, hätten wir den zehnfachen Absatz gewünscht; auch die große Strindberg-Kassette mit drei Bänden ist ein wenig untergegangen, ähnlich wie die Vier Begegnungen von Henry James.“
Katja Scholtz (Foto: Mathias Bothor) |
Inzwischen hat die Hauptreihe sogar im wahrsten Sinne des Wortes Nachwuchs bekommen. In einem kleineren Format, das „passend für Erzählungen, Novellen oder Lyrik“ ist, hat in diesem Frühjahr das vierte Kind das Licht der Welt erblickt. In der kongenialen Übersetzung von Alexander Pechmann ist in diesem Frühjahr die Erzählung Der Zorn des Meeres von Bram Stoker derschienen. In dieser wird das Meer nicht nur als Handlungsort beschrieben, an dem sich eine in mehrfacher Hinsicht tragische Rettungsgeschichte abspielt, sondern das Meer tritt sogar als ein fast eigenständiger Protagonist auf, wie Alexander Pechmann betont. „Dass das Meer gewissermaßen zur Hauptfigur und zu einem lebendigen Wesen wird, war für mich der besondere Reiz an Stokers Erzählung. In vielen Abenteuergeschichten Stokers spielt das Meer eine wichtige Rolle, aber nie eine so beeindruckende wie hier. Es hat mich ein wenig an Lafcadio Hearns Chita erinnert, wo ebenfalls der zornige, sturmgepeitschte Ozean im Mittelpunkt steht.“
Alexander Pechmann, der als Übersetzer und Herausgeber bereits viele Klassiker für mare mitverantwortet hat, ist es besonders wichtig, dem deutschsprachigen Lesepublikum nicht nur die Kanontexte in neuen Übersetzungen zugänglich zu machen, sondern auch an „die ungeheure Vielfalt der Literatur zu erinnern, vergessene Autoren wieder ans Licht zu bringen und vergessene Texte berühmter Autoren auszugraben. Der Kanon ist wie die Hauptstraße einer großen Stadt. Wer glaubt, alles gesehen zu haben, nachdem er einmal die Hauptstraße hinauf- und hinuntergeschlendert ist, versäumt das Beste – all die Seitenstraßen, kleinen Gassen, schönen Plätze und versteckten Winkel. Und über die krummen, finsteren Gassen kann man natürlich auch gelegentlich zurück zur prächtigen Hauptstraße gelangen.“
Alexander Pechmann, der als Übersetzer und Herausgeber bereits viele Klassiker für mare mitverantwortet hat, ist es besonders wichtig, dem deutschsprachigen Lesepublikum nicht nur die Kanontexte in neuen Übersetzungen zugänglich zu machen, sondern auch an „die ungeheure Vielfalt der Literatur zu erinnern, vergessene Autoren wieder ans Licht zu bringen und vergessene Texte berühmter Autoren auszugraben. Der Kanon ist wie die Hauptstraße einer großen Stadt. Wer glaubt, alles gesehen zu haben, nachdem er einmal die Hauptstraße hinauf- und hinuntergeschlendert ist, versäumt das Beste – all die Seitenstraßen, kleinen Gassen, schönen Plätze und versteckten Winkel. Und über die krummen, finsteren Gassen kann man natürlich auch gelegentlich zurück zur prächtigen Hauptstraße gelangen.“
Auf die scherzhaft gestellte Frage, wann Poes Mahlstrom denn endlich erscheinen würde, gibt Pechmann die Antwort: „Ich hoffe bald, da ich Poes Geschichten sehr liebe.“m,.
Alexander Pechmann (Foto: privat) |
Für Nachschub ist also gesorgt, mare sei Dank. Während die Arbeiten für das Herbstprogramm im Verlag nahezu abgeschlossen sind, freuen wir uns schon auf die kommenden Bände!
Ich möchte mich bei Judith Balling, Bettina Wittich und natürlich ganz besonders bei Katja Scholtz und Alexander Pechmann für ihre Offenheit und Zeit bedanken.
Marcus Dahmke
Entdecken Sie die mare-Klassiker in unseren Regalen und in unserem Webshop:
Die Liste aller lieferbaren Titel der Meeresbibliothek finden Sie unter: https://www.mare.de/buecher/mare-klassiker
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