Immer mehr werden klassische Rezensions- und Empfehlungsformate durch Online-Formate ergänzt und bereichert. Buchblogger, Instagram-Influencer und Booktuber vermitteln Bücher und Literatur in anderer Weise, aber nicht schlechter. Wir haben mit Ilke Sayan gesprochen:
Dahmke: Liebe Ilke, seit Corona
finden viele Gespräche (über Bücher) online statt. Buchhandlungen bespielen
teilweise mit sehr großem Aufwand die sozialen Medien und stellen in
unterschiedlichen Formaten Bücher vor. Du bist seit 2015 mit Deinem Kanal
BuchGeschichten auf YouTube. Wie bist Du damals auf die Idee gekommen, Bücher
auf YouTube vorzustellen?
Sayan: Wie wohl bei den meisten lag
es an dem Wunsch, sich über Bücher auszutauschen. In meinem Umfeld lasen die
meisten nicht in dem Maße wie ich und ich wollte meine Freundschaften nicht
länger mit meinen scheinbar endlosen Leseberichten strapazieren. Es war eine
spontane Entscheidung, meine Leidenschaft stattdessen mit mir unbekannten
Gleichgesinnten zu teilen. Die Online-Community war so herzlich, es machte mir
so viel Spaß, dass ich mir bald darauf auch einen Instagram-Account
einrichtete. Wieder einmal ohne lange darüber nachzudenken.
Dahmke: Wie bist Du auf den Namen
BuchGeschichten gekommen?
Sayan: Anfangs hatte ich einen ganz
anderen Kanalnamen im Kopf, an den ich mich mittlerweile nicht mehr erinnern
kann. Er war allerdings schon vergeben. Da ich mein erstes Video schon gedreht
hatte und alsbald veröffentlichen wollte, versuchte ich es mit anderen Namen,
die mir gerade in den Sinn kamen. BuchGeschichten, mein 6. oder 7. Versuch, war
noch verfügbar, so kam es zu dem Namen. Ich muss also gestehen, dass ich auch
über den Kanalnamen nicht lange nachgedacht habe. Wichtig war mir lediglich,
dass durch den Namen verständlich wird, dass es sich um einen deutschsprachigen
Kanal über Bücher handelt.
Dahmke: Wie findet man als
Literaturbegeisterter, (der gerne mal zum Klassiker greift,) überhaupt
Booktuber auf der Plattform, die den eigenen „Literaturgeschmack“ treffen?
Sayan: Wenn man bedenkt, dass
YouTube nach Google die zweitgrößte Suchmaschine im Internet ist, sollte es
nicht mit sehr aufwändigen Recherchen verbunden sein… Am besten nutzt man die
Suchleiste. Hat man einen Kanal gefunden, der einem zusagt, kann man sich auf
der Kanalseite die Liste derjenigen aufrufen, die der/die BooktuberIn abonniert
hat. Auf vielen Kanalseiten ist die Liste öffentlich einsehbar. Dort findet man
häufig weitere BooktuberInnen mit ähnlichem Lesegeschmack. Auch durch die
Video-Vorschläge von YouTube (neben/unter dem abgespielten Video) kann man
fündig werden.
Dahmke: Apropos Literaturgeschmack:
In deiner Kanalinfobox schreibst Du, Du liest alles gerne, hauptsächlich aber
Gegenwartsliteratur, Klassiker und Graphic Novels. Diese Genres werden von Dir
auch hauptsächlich besprochen. Wie kam es zu dieser Entscheidung? Persönliche
Interessen nehme ich an...
Sayan: Ja, persönliche Vorlieben.
Aber ich greife gerne auch mal zu Büchern aus anderen Genres – aus Neugier, zur
Abwechslung oder um festzustellen, ob mir die Genres mittlerweile nicht doch zusagen.
Dahmke: Booktube soll keine
Literaturkritik sein, sondern Begeisterung für Literatur vermitteln. Wie viel
Kritik und wie viel Begeisterung braucht und verträgt eine Buchbesprechung auf
YouTube Deiner Ansicht nach?
Sayan: Ich denke, auf YouTube ist in
erster Linie Authentizität und Aufrichtigkeit wichtig.
Ob die Kritik sachlich oder vehement, die
Begeisterung überschwänglich oder dezent geäußert wird, ob ausführlich oder
aufs Wesentliche begrenzt, ist individuell und von BooktuberIn zu BooktuberIn unterschiedlich.
So sollte es auch bleiben.
Dahmke: Was liest Du gerade? Und
gibt es für Dich schon ein Halbjahreshighlight? Oder ein besonderes Buch, das
Du in letzter Zeit gelesen hast…
Sayan: Ich lese gerade die
Essay-Sammlung „Unter der Haut – Eine literarische Reise durch unseren Körper“
und „Schwere Zeiten“ von Charles Dickens.
Ich habe dieses Jahr einige großartige
Bücher gelesen, darunter „Mond über Manhatten“ von Paul Auster, „Pique Dame“
von Alexander Puschkin, „Offene See“ von Benjamin Myers, „Die Straße“ von Ann
Petry, „Rot und Schwarz“ von Stendhal, „Wo Licht ist“ von Sarah Moss. Ich
könnte noch mehr aufzählen, aber ich denke, das reicht…
Dahmke: Großartige Bücher. „Pique
Dame“ ist ja in der Reihe von Kat Menschik bei Galiani wunderbar illustriert
herausgekommen. Und die Neuauflage von Petrys „Die Straße“ schockiert immer
noch durch das ständig aktuelle Thema der Ungleichheit und Rassenfeindlichkeit
in den USA. Wie lässt Du Dich eigentlich inspirieren? Liest Du viele Rezensionen,
guckst Du Literatursendungen, sprichst Du mit Freunden und Bloggern etc. über
Bücher, stöberst Du durch Verlagsvorschauen oder gehst Du in die Buchhandlung
nebenan und tauschst Dich mit den Mitarbeitern aus? Oder ist es von allem ein
bisschen?
Sayan: So ziemlich von allem ein
bisschen. Natürlich erhalte ich auch von der Community, den ZuschauerInnen,
viele gute Empfehlungen und höre gelegentlich Literatur-Podcasts.
Dahmke: Du sprichst nicht nur
Literaturempfehlungen aus, es gibt auch andere Themenvideos auf Deinem Kanal
z.B. Bücher nach Ländern, BuchGeschichten unterwegs (mit Gesprächen auf der
Buchmesse u.a.). Ein umfangreiches und spannendes Programm! Wie haben sich die
einzelnen Formate entwickelt?
Sayan: Manche Ideen hatte ich von
Anfang an, manche ergaben sich mit der Zeit. Ich probiere gerne Neues aus, wie
unter den Rubriken „Videos mit kleinen Extras“ und „BuchGeschichten unterwegs“.
Solche Videos sind zeitaufwändiger, da ich meine Videos alleine drehe und
bearbeite. Deswegen kann ich leider nicht so regelmäßig experimentieren wie ich
mir wünschen würde. Aber ich habe eine Liste an Ideen und anderen Formaten, die
ich gerne noch umsetzen möchte und bin gespannt, wie sie von den ZuschauerInnen
aufgenommen werden.
Dahmke: Vielen Dank, liebe Ilke, für
deine Zeit und die tollen Buchempfehlungen.
Weiterführende Links:
Gewinnerin Buchblog-Award 2018:
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