Mittwoch, 23. Juni 2021

Das literarische Frühjahr 2021 - Ein Rückblick

Die besten Neuerscheinungen der zeitgenössischen Belletristik im Frühjahrs 2021, ausgewählt vom Felix Jud Team und präsentiert von Marcus Dahmke

Mit dem Juni ist das erste literarische Halbjahr schon wieder vorbei und in den Buchhandlungen beginnt die Vorbereitung für den Herbst. Aber jetzt ist noch Zeit, die vielen hervorragenden belletristischen Texte Revue passieren zu lassen, die die deutschsprachigen Verlage im Laufe der letzten sechs Monate veröffentlicht haben. 

Alle der folgenden Bücher sind vom Felix Jud Team als „besonders empfehlenswert“ im Bereich zeitgenössischer „Belletristik“ eingestuft worden. Keine Berücksichtigung gefunden haben in dieser Zusammenstellung Neuübersetzungen von Klassikern (auch wenn diese so modern daherkommen wie James Baldwin, Ann Petry, Tove Ditlevsen usw.). 

Wir hoffen, verehrte Leserin, verehrter Leser, dass diese Auswahl Sie neugierig macht (hoffentlich). Lassen Sie sich inspirieren! Es erwartet Sie eine bunte (auch thematische) Mischung.


Erzählungen aus aller Welt

Corona hat dafür gesorgt, dass entweder epische Werke hervorgeholt worden sind - von Proust war häufig die Rede - aber die Liebe zu den kleinen feinen Texten, die man nach einem anstrengenden Tag vor dem PC, an dem die Konzentration langsam aber sicher nachlässt, hervorholen kann, ist ungebrochen.

Haruki Murakami: Erste Person Singular (Dumont)

Der japanische Schriftsteller Haruki Murakami erzählt vom Menschen – und vom Affen! Dem Ich, in seiner ganz eigenen Art und Weise. Man lernt das Alleinsein zu schätzen in diesen melancholisch-nachdenklichen Texten, die mit altbekannten Themen spielen: Musik, Baseball und ... Literatur. Und freuen auch Sie sich schon auf das Buch über Murakamis Lieblings-T-Shirts, das im Herbst erscheinen wird?!

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Carlos Ruiz Záfon: Der Friedhof der vergessenen Bücher (S. Fischer)

Das letzte Buch des 2020 verstorbenen Carlos Ruiz Záfon ist eine Sammlung von Erzählungen. Noch einmal geht es nach Barcelona zum Friedhof der vergessenen Bücher in mystischen, fantastischen, historischen und kriminellen Geschichten, die vor Lebendigkeit sprühen. Ein Wiedersehen mit alten Freunden. Nur manchmal nah an kitschigen Tönen.

Der Friedhof der vergessenen Bücher - Produkt (buchkatalog.de)


Familie und/oder Individuum

Familienbande waren weltweit in letzter Zeit besonders gefragt, in der Literatur spiegelt sich das Bedürfnis nach gemeinsamer Wärme oder auch dem Zerwürfnis von Bekannten ebenfalls in einigen Romanen wider. Häufig geht es aber auch hier um die Freiheit und Einzigartigkeit des Individuums.

Buwalda: Otmars Söhne (Rowohlt)

Peter Buwalda lässt im ersten Teil seiner Trilogie einen Sohn seinen vermeintlichen Vater finden, obwohl dieser gar nicht nach ihm gesucht hat. Damit liegt Pulverdampf in der Luft.

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Goldblum: Eine ganze Welt (Hoffmann und Campe)

In Goldie Goldblums Roman muckt eine schwangere Großmutter im New Yorker jüdisch-orthodoxen Milieu gegen die Beschränkungen ihrer Gemeinde.

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Annalena McAfee: Blütenschatten (Diogenes)

Eine Londoner Künstlerin plant ihren internationalen Durchbruch: mit einer Blumeninstallation. Nicht innovativ genug? Ein junger Kunststudent mischt das eingespielte Team um Eve auf.

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Kracht: Eurotrash (Kiepenheuer und Witsch)

In eine ganz besondere Mutter-Sohn Geschichte nimmt uns Christian Kracht hier mit. Auf einen Roadtrip durch die Schweiz, in der die Grenzen zwischen Realität und Literatur zu verschwimmen scheinen.

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Identität

Identität war bereits DAS Thema im letzten Jahr (und in den Jahren zuvor?!). Auch im Frühjahr 2021 sind spannende und teils sehr literarische Titel über den eigenen Platz in der Welt erschienen, über Eigen- und Fremdzuschreibungen, Vorurteile ... Wie divers ist die Welt heute? Wie sah es vor Jahren und Jahrzehnten aus?

Bernadine Evaristo: Mädchen, Frau etc. (Tropen)

Als schwarze, lesbische Dramatikerin hatte es Amma lange sehr schwer in Londons Theaterszene und jetzt erscheint auch noch ein provokantes Stück. Eine von vielen Lebensgeschichten, die Evaristo in experimenteller Form dem Leser, der Leserin präsentiert.

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Sharon Dodua Otoo: Adas Raum (S. Fischer)

Ada lebt nicht in einer Zeit, in einem Raum, sondern in vielen. Sie kämpft als Frau um Anerkennung, trägt an ihren guten wie auch schlechten Erfahrungen und zeigt manchmal offen, manchmal versteckt, wer sie ist und was sie sein möchte.

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Tier, Mensch, künstliches Wesen

Der Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse greift das Thema bereits auf: der Mensch stammt vom Tier ab. Wie aber wird die Wechselbeziehung von Tier und Mensch in der Belletristik 2021 beschrieben? Und wie sieht es in der Zukunft aus? 

T. C. Boyle: Sprich mit mir (Hanser)

Wie sehr ist der Mensch Affe, haben Tiere Seelen, einen Geist? Hier werden Grenzen ganz neu verhandelt, hier scheinen die zunächst scharf geschnittenen Unterschiede sich mehr und mehr aufzulösen. Ein bahnbrechendes (literarisches) Experiment!

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Sylvain Tesson: Der Schneeleopard (Rowohlt)

Der Schneeleopard. Ausgestorben?! Nein, ein Tier soll noch in Tibet leben, nach langer Annäherung sei es zu erreichen, erhofft sich Munier in Sylvain Tessons Roman. Was für Entbehrungen muss der Mensch in Kauf nehmen, um sich dem Tier zu nähern? Und auf welche Art und Weise tut er dies?

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Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne (Blessing)

Der Literaturnobelpreisträger blickt mit den Augen der Künstlichen Freundin (KF) Klara auf eine uns in vielem bekannte Welt. Können Roboter fühlen? Ein nachdenklich machendes Buch über unseren Umgang mit dem Leben, und den Menschen, die uns umgeben.

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Besondere Empfehlungen

Nichts für schwache Nerven und nur schwer zu ertragen, aber großartig sind die Romane von Ian McGuire: Der Abstinent (DTV) und der Kriegsheimkehrerroman von Robin Robertson: Wie man langsamer verliert (Hanser). Eine Honorable Mention im Napoleon-Jahr möchte ich noch aussprechen: Garde: Der gefangene König (C. H. Beck).


Auch wenn wir die früheren Romane von Otessa Moshfegh und Christoph Ransmayr lieben, haben es die neuen leider dieses Mal nicht auf die Liste geschafft. Warum? Sprechen Sie uns gerne an und fragen nach!

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